THEMEN // ISSUES

Transzendenz: Geistesflucht oder Wirklichkeit

Transzendenz bedeutet, über alltägliche Erfahrungen hinauszugehen und höhere Bewusstseinszustände zu erreichen. In der persönlichen Entwicklung kann dies durch die 90-90-Regel veranschaulicht werden: Während die ersten 90 % des Wachstums oft schneller erreicht werden, erfordert die letzten 10 % – die tiefsten, herausforderndsten Schritte – viel mehr Zeit und Mühe. Hier kommt häufig spirituelles Bypassing ins Spiel, bei dem Menschen versuchen, diese letzten, schwierigen Schritte durch oberflächliche spirituelle Praktiken zu umgehen, statt sich ernsthaft mit ihren Problemen auseinanderzusetzen. Diese Vermeidung verzögert echte innere Vollendung und kann dazu führen, dass ungelöste emotionale Themen nicht angegangen werden. Echte spirituelle Entwicklung verlangt, dass man sich allen Aspekten seines inneren Wachstums stellt, ohne Abkürzungen zu nehmen.

Transzendenz ist ein philosophischer Begriff, der sich auf das „Hinausgehen über“ oder „Überschreiten“ des immanenten, also des innerweltlichen, bezieht. Es beschreibt etwas, das jenseits der erfahrbaren Realität liegt, oft in Bezug auf das Übernatürliche, das Göttliche oder das Unfassbare.

Die 90-90-Regel (Aphorismus aus der Softwareentwicklung) besagt: Die ersten 90% eines Projekts gehen oft schneller als die letzten 10%, die viel länger dauern. Übertragen auf persönliche Entwicklung bedeutet das: Viele Menschen kommen weit, aber kurz vor der Vollendung wird es schwierig. Hier neigen viele zum spirituellen Bypassing, indem sie Probleme umgehen, statt sich ihnen zu stellen. Das verzögert die wahre innere Vollendung.

Spiritual Bypassing* bezieht sich auf eine Verhaltensweise, bei der man unangenehme Emotionen und Probleme durch eine oberflächliche oder falsche Anwendung von spirituellen Praktiken und Überzeugungen zu vermeiden oder zu ignorieren versucht.

Diese Geistesflucht ist eine Art von “spirituellem Missbrauch”, bei der man spirituelle Lehren oder Praktiken als Werkzeug benutzt, um unangenehme oder schmerzhafte Erfahrungen zu vermeiden oder zu umgehen, anstatt sich ihnen zu stellen und sie zu bearbeiten.

Das kann dazu führen, dass man seine eigenen Emotionen unterdrückt, um sich als spirituell fortschrittlicher oder erleuchteter darzustellen. Es kann auch dazu führen, dass man die Probleme anderer Menschen bagatellisiert, indem man ihnen sagt, dass sie einfach positiv denken oder sich auf ihre Spiritualität konzentrieren sollten, anstatt ihnen zuzuhören und ihnen zu helfen, ihre Probleme zu lösen.

Spiritual Bypassing kann sehr schädlich sein, da es dazu führen kann, dass man seine Probleme ignoriert und sie somit nicht lösen kann. Es ist wichtig, sich bewusst zu sein, wenn man dazu neigt, zu spirituellen Praktiken oder Überzeugungen zu greifen, um unangenehme Emotionen oder Probleme zu vermeiden, und sich stattdessen darauf zu konzentrieren, diese Probleme auf eine authentische und gesunde Art und Weise zu bearbeiten.

Spiritual Bypassing ist Faulheit oder
Wer Spiritualität zur Vermeidung seiner Probleme nutzt, ist nicht wirklich spirituell

Geprägt vom Psychologen John Welwood, der *Spiritual Bypassing mit folgenden Worten beschreibt: 

“Spiritual Bypassing ist ein Begriff, […] der einen Prozess beschreibt, den ich in der buddhistischen Gemeinschaft um mich herum und auch in mir selbst beobachtete. Obwohl die meisten von uns aufrichtig versucht haben, an sich selbst zu arbeiten, bemerkte ich eine weit verbreitete Tendenz, spirituelle Ideen und Praktiken einzusetzen, um ungelösten emotionalen Problemen auszuweichen oder Probleme, psychische Wunden und unerledigte Entwicklungsaufgaben zu vermeiden.” [Übersetzung durch die Redaktion]

 

Angebote // Coaching